Die Rechte des Nachbarn bei Pflanzen an der Grundstücksgrenze

12. März 2025 | Nachbarschaftsrecht

Jetzt im Frühling beginnt wieder die Gartenarbeit. Stehen an der Grundstücksgrenze Pfanzen des Nachbarn, kann dies wegen der überhängenden Äste, der Wurzeln oder des Schattenwurfs zu einem Ärgernis werden. Es soll hier daher geklärt werden, welche Rechte man als Nachbar hat.

Steht ein Baum (oder Strauch) direkt an der Grenze zweier Liegenschaften sind die beiden Liegenschaftseigentümer gemeinsam Miteigentümer des Baumes. Auch wenn der Baum nur von einem Eigentümer gepflanzt wurde, hat auch der andere Eigentümer, auf dessen Liegenschaft ein Teil des Stammes steht, Miteigentum an diesem Baum.

Was mit diesem Baum in weiterer Folge zu geschehen hat, also ob ein Rückschnitt erfolgen oder der Baum ganz entfernt werden soll, haben die beiden Eigentümer gemeinsam einvernehmlich festzulegen. Ein Eigentümer alleine ist nicht berechtigt den Baum zu fällen. Dies wäre einerseits eine Besitzstörung und andererseits ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn.

Sollte eine Einigung nicht möglich sein, kann das örtlich zuständige Bezirksgericht um Klärung in einem Außerstreitverfahren nach § 835 ABGB angerufen werden.

Steht ein Baum (oder Strauch) zur Gänze, also mit dem gesamten Stamm, auf einer Liegenschaft, gehört der Baum dem Eigentümer dieser Liegenschaft. Er kann frei darüber entscheiden, was mit diesem Baum geschieht.

Es kann in der Natur vorkommen, dass im Laufe der Jahre zum Beispiel durch Hangrutschungen oder andere Erdbewegungen, der Stamm eines Baumes von einem Grundstück auf das andere Grundstück wächst. Es kann passieren, dass der Baum im Laufe der Jahre die Grundstücksgrenze überschreitet und zunächst zum Miteigentum beider Liegenschaftseigentümer wird und dann aber zur Gänze am Nachbargrundstück steht. Der Nachbar wird Eigentümer dieses Baumes, wenn der Stamm zur Gänze auf seinem Grundstück steht, auch wenn der Baum zuvor vom anderen Liegenschaftseigentümer auf dessen eigenem Grundstück gepflanzt wurde. Der Nachbar kann nun frei entscheiden, was er mit diesem Baum macht.

Sollte der Nachbarn durch den Baum am anderen Grundstück nahe der Grundstücksgrenze beeinträchtigt sein, steht ihm gemäß § 422 ABGB ein sogenanntes Selbsthilferecht zu. Überhängende Äste und auf sein Grundstück wachsende Wurzeln darf der Nachbar selbst entfernen. Er muss dabei allerdings fachgerecht und möglichst schonend vorgehen, um dem Baum nicht zu Schaden. Wird dafür fremde Hilfe in Anspruch genommen und z.B. ein Gärtner mit dem Rückschnitt beauftragt, hat der beeinträchtigte Nachbar die Kosten dafür zu tragen. Er profitiert ja auch davon.

Nur wenn durch den Baum in Grenznähe den Nachbarn bereits Schäden entstanden sind oder konkrete Schäden drohen, weil die Wurzeln zum Beispiel ein Bauwerk beschädigen oder einen Kanal verstopfen, hat der Eigentümer des Baumes die Kosten für den Rückschnitt zu übernehmen.

Dazu ist festzuhalten, dass es grundsätzlich keine Verpflichtung gibt, bei Pflanzungen einen bestimmten Mindestabstand zur Grundstücksgrenze einzuhalten. Das Überwachsen von Ästen und Wurzeln über die Grundstücksgrenze an sich ist auch nicht rechtswidrig. Wenn sich der Nachbar dadurch gestört fühlt, kann er selbst für den Rückschnitt auf seiner Grundstücksseite sorgen. Nur wenn durch den Baum eine konkrete Gefährdung für das Eigentum des Nachbarn oder für Personen gegeben ist und der Nachbar in der ortsüblichen Nutzung seines Grundstückes wesentlich beeinträchtigt ist, kann der Nachbar unter Umständen einen Anspruch auf Rückschnitt oder Entfernung des Baumes nach § 364 ABGB haben.

Das Selbsthilferecht nach § 422 ABGB hat aber Vorrang. Kann der den Nachbarn gefährdende bzw. beeinträchtigende Zustand durch Ausübung des Selbsthilferechtes, also durch selbst vorgenommenen Rückschnitt, leicht und einfach beseitigt werden, gibt es keinen Anspruch gegen den Baumeigentümer nach § 364 Abs. 2 ABGB. Der beeinträchtigte Nachbar hat sich selbst zu helfen, auch wenn der Baum nicht ihm gehört.

Einen solchen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entfernung hat der OGH im Falle einer Kletterpflanze, die in natürlicherweise zwangsläufig eine Mauer empor wuchs, die zur Gänze im Eigentum des Nachbarn steht, bejaht. Das Mauerwerk wird durch die Kletterpflanze (Veitschi) beschädigt. (siehe OGH 8 Ob 111/06s, 30.11.2006 ).

Auch bei gefährlich überhängenden Ästen, die drohen abzubrechen, nachdem bereits ein 15m langer Starkast von einer Stieleiche abgebrochen war, hat der OGH den Anspruch des Nachbarn auf Entfernung dieser gefährlichen Äste bejaht (OGH 4 Ob 43/11v, 22.11.2011).

Hingegen hat der OGH einen nachbarrechtlichen Anspruch nach § 364 ABGB bei bloßem Überhang von Ästen und Wurzeln ohne konkrete Gefahr von Personen- oder Sachschäden und ohne wesentliche Beeinträchtigungen am Nachbargrundstück verneint. Auch wenn es den durch die Hainbuchenhecke beeinträchtigten Nachbarn nicht möglich ist, die überhängenden Äste und Wurzeln von seinem Grundstück zur Gänze zu entfernen, weil dadurch die Hainbuchen Schaden nehmen würden, rechtfertigt dies alleine noch keinen Beseitigungsanspruch auf Entfernung der Hainbuchen (OGH 5 Ob 19/24s, 8.10.2024).